Wie man einen Felsbrocken den Berg hochrollt oder Die Vergeblichkeit der Eile

19.07.2013 12:45

Wie man einen Felsbrocken den Berg hochrollt  oder  Die Vergeblichkeit der Eile

Da gibt es die Geschichte, die mir liebe Freunde zugeschickt haben von dem Fischer, der beim Dösen am Strand von einem Touristen belästigt wird. Dieser meint, ganz geschäftstüchtig, würde der Fischer, statt zu dösen, mehrmals rausfahren, um mehr zu fangen, diesen Mehrerlös sparen, dann in mehr Boote und Angestellte und Kühlhaus investieren, um sich dann gemütlich am Strand dösend in den Sand zu setzen – würde es ihm besser gehen.
Worauf der Fischer meint, er sitze doch schon dösend am Strand.

Diese kleine Geschichte beschreibt gut, was man sich unter der hiesigen Mentalität vorstellen kann. Nicht arbeiten um jeden Preis – sondern vor allem Leben.
Bei uns ist es ja in Deutschland eher umgekehrt – je mehr einer arbeitet, desto angesehener ist er. Desto mehr Verpflichtungen hat er eines Tages, denn ein Haus, zwei Autos, jede Menge Versicherungen, Sparverträge, vielleicht noch eine Investition in Wohneigentum zum Vermieten, eine zu bedienende Riesterrente, noch eine Lebensversicherung, die kostenpflichtigen Aktivitäten der Familie, womöglich im Jahresabo usw…  Für den Job braucht es gute Klamotten, der Friseur kann nicht der billigste sein, die Kinder müssen ja auch in der Schule und Freizeit statusgemäß etwas hermachen etc. Alles muss gepflegt werden, bedient werden – die Kosten steigen mit den Einnahmen.
Und der Stress, der Druck, jeden Monat dasselbe und mehr zu verdienen.
Wofür?

Für eine vermeintliche Sicherheit im Alter, für eine zufriedene Familie, die in der Freizeit kostenpflichtig sportelt, musiziert oder sich selber findet.
Ganz vom Schicksal gebeutelte Zeitgenossen haben nach einer Scheidung diesen Lebensstandard aufrechtzuerhalten – für den Teil der Familie, der  nicht mehr zum täglichen Leben gehört. Und rennen weiter im Hamsterrad.
Burnout – die Modekrankheit unserer Zeit – in aller selbstauferlegter Hektik hat man sich selbst vergessen.

Und nun kommt so ein Mensch auf die Idee, sich auszuklinken. Recht hat er, er zieht die Reißleine. Und ab und zu kommt so ein armer Wicht hierher – oder an einen anderen Fleck Erde im Süden Europas. Und träumt davon , einfach nur zu sein, einfach nur zu leben.
Dies sei jedem gegönnt, aber:

Er bringt seine Hektik mit, denn inzwischen ist sie Teil von ihm geworden.
Da muss das Haus, die Wohnung oder das Grundstück schnell und zügig erworben werden. Damit fängt sein neuer Leidensweg an. Denn schnell und zügig geht hier so gut wie nichts.
Und je mehr man die Einheimischen unter Druck setzt, desto sturer schließen sie einem die Tür vor der Nase.
Wir haben es erlebt, als wir uns unser zweites, kleineres Grundstück kaufen wollten. Und damals waren wir geistig noch so im deutschen Rhythmus drin, dass wir schier verzweifelt sind.
Wir brauchten das Stück Land, um auf unserem eigenen noch ein paar Quadratmeter mehr bauen zu dürfen.
Was folgte, treibt jeden „normalen“ Menschen in den Wahnsinn, wobei „normal“ durchaus ironisch gemeint ist, denn wer sagt denn, dass unsere hektische Lebensform die einzig wahre ist?

Ich will es Euch erzählen, damit Ihr einen Einblick bekommt in hiesige Gefilde und entscheiden könnt, ob Ihr dafür geschaffen seid. So manch einer träumt vom Auswandern – er soll darüber nachdenken, ob er es schafft, sich an den Lebensstil hier anzupassen. Wenn ja – findet er sein Paradies. Wenn nicht, wird er mit Bluthochdruck belohnt.

Nun aber los:

Bei einer Baukontrolle haben wir erfahren, dass 2 Räume unseres Rohbaus zu hoch sind. Sie waren als technische Räume im Plan deklariert und genehmigt und hätten daher jeweils 10cm niedriger sein müssen als der Rest des Hauses. Soweit nicht schlimm, hängen wir eben die Decke ab.
Weit gefehlt.
Der Bauingenieur (Geometer) zeichnete den entsprechenden Plan einer sogenannten Variante und reichte diesen ein.
Wir warteten 3 Monate – und erhielten dann die Auskunft – nein, wenn, dann eine Stufe und den Fußboden erhöhen.
Oh nein – wir hatten extra so geplant, dass wir unsere alten Knochen nie wieder über eine Stufe schleppen müssen, erst recht nicht in die Schlafzimmer hinein. Man wird ja nicht jünger und wer weiß schon, ob man nicht mal Probleme mit dem Laufen bekommt. Nach einer Knie-OP wußte mein Guter nur zu gut, wie es ist, monatelang an Krücken zu laufen. Wie gut, wenn man dann keine Stufen erklimmen muss.
Das kam also nicht in Frage.

 

Nun zeichnet sich Italien unter anderem dadurch aus, dass man für alles eine Lösung findet. Da sind wir in Deutschland sturer – Gesetz ist Gesetz. Hier: Gesetz ist Gesetzeslücke.
Man braucht nur – Geduld..


Die Alternative hieß also, aus den 2 „technischen Räumen“ reinen Wohnraum zu machen. Das bedeutete aber, dass unser Grundstück zu klein war, denn es gab nur 60m² Wohnfläche her und eben noch die technischen Räume. Wobei diese in unserem Falle 10cm niedriger sein mussten als reiner Wohnraum.
Beim Bauen nicht aufgepasst – das rächte sich nun und dient gleich als weiterzugebende Erfahrung für andere.
 

Um aus den technischen Räumen Wohnraum zu machen und sie damit so zu belassen, wie sie waren,  bot es sich nach einem inzwischen nicht mehr gültigen Gesetz an, einfach noch Grund dazuzukaufen, der die fatale Situation rettet durch seine zusätzlichen Quadratmeter.
Wir hatten 40m² ins Reine zu bringen und dazu brauchten wir 4000m² in derselben Gemeinde. Weitere Auflagen gab es nicht, es war egal, wo und in welchem Zustand sich das Grundstück befindet.
Prima, findet man sicherlich ohne Probleme, dachten wir. Unsere Gemeinde erstreckt sich über viele Quadratkilometer und Grundstücke von 4000m² sind nicht bebaubar, so dass wir meinten, sie ohne Probleme zu finden in reicher Auswahl.

Wieder mal – weit gefehlt.

Inzwischen drängte auch die Zeit, denn der Bau ging nicht weiter, ohne das Problem zu lösen.

Es folgte eine Odyssee durch sämtliche Maklerbüros, nächtelang durchforsteten wir das Internet, um immer wieder festzustellen, dass eben kaum einer seinen Grund publiziert, denn die Bauern nutzen keinen PC, die Makler sind teils windige Gesellen.
Wir fuhren tagelang alle Felder ab, wo ein Schild hing: „Zu verkaufen“ telefonierten wir, sofern es noch lesbar war, um immer wieder zu hören, dass es zu klein oder zu groß oder schon lange verkauft war. Oft stimmte auch die Telefonnummer nicht oder es war nie jemand erreichbar. Süden..

Die uns bekannten Makler, mit denen wir schon erfolgreich und zufriedenstellend zu tun hatten, hatten nichts im Angebot.
Und dann geschah doch noch ein Wunder – wir hörten von einer Bäuerin, dass Familie XY vielleicht(!) ein Stück Land verkauft, welches  für uns in Frage käme.
Wir fuhren also in den Ort, in dem die Familie ansässig war und suchten sie. Die erst mißtrauischen alten Männer vor der örtlichen Cafébar waren dann doch bereit, meinem Guten Auskunft zu geben. als er in den örtlichen Dialekt verfiel.
Tagelang waren wir in der Spur, denn einmal war der Vater nicht da, ohne den kein Gespräch zustande kommen konnte. Dann war die Frau nicht da, immer zum Einkaufen, bei den Kindern, in der Kirche – wir jagten also Gespenster.
Da sie wirklich verkaufen wollten, gingen wir fälschlicherweise davon aus, dass man uns ja zurückrufen und einen Termin vorschlagen könne, wann wir das Ehepaar gemeinsam antreffen würden, um den Verkauf zu besprechen.
Das war aber ein Irrtum, keiner rief uns an. Sie konnten uns noch nicht einmal den Preis sagen, denn dazu mussten sie miteinander reden und sich zuerst in der Familie einigen.
Wir sollten später begreifen, warum es so schwierig war, die Familie unter einen Hut zu bringen..

Was tun?
Wir machten den Fehler, der Familie auf den Keks zu gehen.
Wir riefen an, wir kamen vorbei, wir passten den Mann in seiner Stammcafébar ab.
Bis wir eines Abends mal wieder vor der Tür standen, in der Hoffnung, nun beide anzutreffen und einen Preis zu erfahren – und holten uns eine Abfuhr erster Güte. Bisher waren alle immer sehr freundlich gewesen. Das änderte sich nun.
„Se non avete un puó di pazienza non si fa niente!“
Wenn Ihr nicht ein wenig Geduld habt, passiert eben gar nichts!“

Niedergeschlagen, weil wir wirklich nichts Bezahlbares fanden, ergaben wir uns fast in unser Schicksal und überlegten widerwillig, wie man den schön gefliesten Boden auffüllen und wo man die Stufe einbauen sollte. Wir waren sehr, sehr unglücklich, denn das warf alles über den Haufen, abgesehen von den Kosten, denn die Böden waren fertig, die Steckdosen und Fenster und Schalter alle auf die jetzige Bodenhöhe abgestimmt.

Also planten wir, taten aber erstmal nichts.

Und das war gut so. Das war südländisch – nichts tun und abwarten.
Und so kam es, dass eines Tages ein Anruf kam von einem der uns bekannten Makler, er hätte das passende Grundstück gefunden.
Wir fuhren in sein Büro – um genau das präsentiert zu bekommen, was wir wochenlang versucht hatten zu kaufen!
Es stellte sich heraus, dass die Familie so genervt war durch unseren „Druck“, dass sie beschlossen hatte, sich an einen Makler zu wenden, damit sie jegliche Verpflichtung abgeben könne.
Sie waren sogar bereit, dafür Provision zu zahlen, Hauptsache, man störte sie nicht in ihrer Lethargie.
So sahen wir es – und solche Erfahrungen sind die Regel. Leider hieß es nun auch für uns: Provisionszahlung. Unsere Eile wurde also teuer.

Zum Glück handelte es sich um einen uns als absolut korrekt bekannten Makler und er hatte nun die undankbare Aufgabe, die Familie zu  vereinigen. Es handelte sich um 7(!) Eigentümer, denn das Grundstück war ein Erbe – und noch nicht umgeschrieben. Langsam also klärte sich der Nebel.

Weil das mit viel Bürokratie verbunden ist, hatte sich die Familie nie darum gekümmert und scheute den Aufwand. Es war also eher Überzeugungsarbeit, sie dazu zu bewegen, sich um Testament und Grundbuchumschreibung zu kümmern, als einen Käufer zu finden – den gab es ja schon.
Wir erfuhren nebenbei, dass vor uns schon andere gescheitert waren in ihrer Bemühung, der Familie Geld für Ware zukommen zu lassen.
Der Makler verlor bis zum Notartermin noch etliche seiner schon spärlichen Haupthaare, wir übten uns mal wieder in der Lernaufgabe „Geduld – Pazienza“ – und nach weiteren fast 2 Monaten war es dann soweit – das Grundbuch war umgeschrieben!
 

Wir hatten dafür eine Art Kaution hinterlegt, so dass die Familie davon ausgehen konnte, dass das Geld für den Kauf vorhanden war und zur Verfügung stand. Sonst hätten sie sich nie bewegt.
Nach einer weiteren Geduldsprobe waren alle Nachbarn befragt und die notwendigen Zertifikate eingeholt, aktuelle Katasterunterlagen besorgt – und es kam zum Notartermin.

Der Makler weigerte sich, diesem beizuwohnen, er äußerte, einem Nervenzusammenbruch nahe zu sein und vertraute uns, dass wir das beim Notar schon meistern würden. Das war auch kein Problem.
Wer es bis dahin geschafft hat – der gibt nicht auf!

Beim Notar saßen also 7 Geschwister im Alter von ca. 40 bis 60 Jahren. Mit den dazugehörigen Ehepartnern und einige hatten ihre erwachsenen Söhne dabei. Ich habe nicht gezählt, aber es waren um die 20 Personen.
Es gab 9 Stühle und der Rest stand im Raum, dicht an dicht gedrängt.
Das Geräusch würde ich als Bienenstock beschreiben, wenn ich höflich sein möchte.

Der „atto“ – also die Urkunde, wurde in 9-facher Ausführung geschrieben. Jeder der 7 und wir musste jeden atto auf jeder Seite unterschreiben – in Druckbuchstaben, also gut lesbar. Mit vollen Vor- und Nachnamen.
Allein dies dauerte knappe 2 Stunden, denn da verschrieb sich einer, daraufhin musste das ganze nochmal ausgedruckt und geklammert werden. Dann verschrieb sich der nächste usw..

Wir hatten im Vorfeld, wie üblich, bezahlt, so dass mit Unterschrift alles erledigt war.

Nassgeschwitzt nahmen wir dann die üblichen Glückwünsche aller gefühlten 100 Familienmitglieder entgegen mit Handschlag und Küßchen.
Unsere Haltung bewahrten wir bis ins Auto. Dort stellten wir den Motor an, die Klimaanlage auf Stufe 5 – und sackten zusammen. Uff… was für ein Akt!

Wer meint, dass nun alles erledigt war, der irrt. So wie wir damals.

Um die Situation der  40m² Decke zu sanieren, brauchte jetzt das Bauamt den Nachweis, dass uns das zusätzliche Grundstück gehört.
Also gingen wir mit einer Kopie des Notarvertrages, den wir 4 Wochen später im Original abholen konnten, auf die Comune.
Dort hieß es: Bitte lassen Sie die Abgabe des Vertrages protokollieren. Ganz unten links Zimmer X.
Kein Problem.
Dort standen vor uns 2 Leute mit ähnlichen Anliegen. Und drinnen saß eine korpulente ältere Dame unter antikem Tonnengewölbe vor einem Wandkalender aus dem Jahre 2004, stempelte und las und kopierte und stempelte wieder..
Als sie den letzten Menschen vor uns drannahm, wandte sie sich an uns: „Per oggi basta, venite domani!“
Für heut ist Schluss – kommt morgen wieder.
Pünktlicher Feierabend ist alles, es war 16 Uhr.

 

Am nächsten Tag war zu, das hätte sie uns sagen können, es stand ja nirgendwo dran.
Am wiederum nächsten Tag kam es dann wirklich zur Protokollierung, also erhielt unsere Kopie einige Stempel, einen schönen Aufkleber und wir wurden losgeschickt, im Tabakladen eine Marca da Bollo – Steuermarke zu kaufen.
(Ich überlegte, wie man dem Bürger durch einen Aushang erklären könne, die Steuermarke mitzubringen, statt ihn mitten im Protokollierungsakt loszuschicken. Aber das sind ketzerische Gedanken und völlig fehl am Platz..)
Die Steuermarke mussten wir der Dame bringen, wir standen also im Tabakladen an, verzweifelten bei der Parkplatzsuche, standen dann wieder vor dem Protokollierungsbüro an. Und verpassten natürlich wieder den Feierabend. Da die Öffnungszeit aus nur einer Stunde und 30 Minuten bestand, hatten wir einfach keine Chance.
Wir ließen uns diesmal mündlich die Öffnungszeiten geben und stellten fest, dass man als Bürger mit einem Anliegen an dieses Büro 2 mal in der Woche für 1,5 Stunden eine Chance hat. Zumindest in der warmen Jahreszeit.

Wir kamen wieder. Mit unserer Steuermarke von 14,55 Euro im Gepäck.
Wir schafften es, diese abzugeben!
Die Dame erklärte uns, dass wir nun warten müssten, bis unsere Kopie in den nächsten Tagen oben im Baubüro angekommen wäre.
Wie bitte???
Wir boten an, die eine Treppe hochzulaufen und die Kopie nebst Steuermarke selber abzugeben.
Nein, dies ginge nicht, denn der Vorgang müsse eingehalten werden. Man sammle nun die Anträge der nächsten Tage, protokolliere sie, wenn dann alle ihre Steuermarken gebracht hätten und es sei ein ganzer Schwung fertig, dann gehe der Stapel hoch ins Baubüro.
Ich erdreistete mich zu fragen, ob es vorkomme, dass jemand seine Steuermarke nicht zeitnah abgebe?
Ja, manche kommen erst nach Wochen wieder, da müsse man drauf warten, denn sie vergebe ja fortlaufende Protokollnummern und müsse sie auch so nach oben weitergeben.

?????

Dagegen war die 100köpfige Familie nichts – und wir waren erst ganz am Anfang!
***

Die nächsten Wochen vergingen und unser Bau ruhte.
Uns erreichte eine Nachricht der Comune, ob wir nicht langsam mal die Situation bereinigen wollten oder  ob man die endgültige Prozedur für Schwarzbauen einleiten solle?
Wir fühlten uns dermaßen verarxxxt, lag doch unter dem Baubüro im Protokollierungsbüro unsere Notarurkunde mit Steuermarke, die bewies, dass wir ein zusätzliches Grundstück erworben hatten!
Also dackelten wir wieder hin, denn die korpulente Dame hatte sich nicht bereiterklärt, uns freundlicherweise anzurufen, wenn unser Vorgang fertig sei – bzw. der Stapel groß genug, um ihn nach oben weiterzureichen.
Die Mahnung der Comune zeigte aber, dass unsere Papiere noch in den Katakomben unter der Comune auf Weitergabe warteten.


Um es kurz zu machen:
Ich flippte vor der Dame so aus, dass sie oben anrief und uns nebst unserem Vorgang ankündigte und ihn mir aushändigte.
Ich hatte nun eine Feindin. Hätte ich gewußt, was uns noch erwartet, ich hätte mir lieber ein paar schöne Tage am Meer gemacht, statt in den Katakomben so aufzuhampeln..

Bewaffnet mit der Kopie der Kaufurkunde und der verdammten Steuermarke erreichten wir das Baubüro, wo man uns schon erwartete. Na also, ging doch..

Dort erklärte man uns, dass wir nun folgende Unterlagen noch heute abzugeben hätten, damit der Vorgang sofort bearbeitet werden könne, anderenfalls ginge er wieder runter und käme mit den anderen „al suo tempo“ – zu seiner Zeit wieder hoch, um sich in die Schlange einzureihen nach Nummer:

Einen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung des Bauschuttes (???)

Den atto di asservimento (???)

Eine weitere Steuermarke für das Baubüro in Höhe von 18,75 €


Wir erklärten, dass kein Bauschutt anfallen würde, da wir einfach nur alles so belassen wie es ist.
Man bestand aber darauf, dass bei einer Sanierung von Schwarzbauten, (10cm angehobene Decke waren ja sozusagen schwarz mehrgebautes Volumen), immer Abriss stattfinden würde und damit Schutt entstehe, der mit Nachweis zu entsorgen wäre.
Aha.

Wir einigten uns darauf, dass wir den gesamten Papierberg, den wir dazu hätten, vorbeibringen würden, denn aus den Schreiben der kommunalen Baukontrolle selbst ginge ja hervor, dass wir nichts abreißen, sondern eher mehr hätten als gedurft und das so stehenlassen wollen:
Mein Einwand, die Herrschaften hätten doch unseren Vorgang, ein Blick in die Akte würde genügen, um dies zu klären, wurde überhört.

Doch was ist ein atto di asservimento???

Der atto lag ja vor, also die notarielle Kaufurkunde,
Nein, dieser reiche nicht,. Man müsse beim Notar noch eine Urkunde machen, in der festgelegt wird, dass das kleine Grundstück mit seiner Fläche für die Nutzung auf einem anderen Grundstück als bebaut gilt, also man darf nicht wieder auf dem kleinen bauen, denn seine QM werden mit der Urkunde offiziell als „genutzt“ auf dem eigentlichen Baugrundstück erklärt, auf dem unser Haus steht.
Aha.

Die Steuermarke schockte uns jetzt nicht mehr.

***

Die Notarsuche und die Preise

Heute, wo wir „unseren Notar“ gefunden haben, korrekt und günstig, belastet uns das nicht mehr, aber damals habe ich eine Italienischlektion erhalten, wie sie nur das Leben schreibt, niemals eine Schulbank.
Der Notar, welcher die Kaufurkunde dieses Grundstückes angefertigt hatte mit den 7 Eigentümern, brauchte 4 Tage, um uns zurückzurufen, wann er einen Termin frei habe.
Der Anruf erfolgte pünktlich – wir sollten am selben Abend kommen.
Als wir vor ihm saßen, erklärte er, dass ich nun das „Elenco die famiglia“ aus Deutschland brauche, um diesen „atto di asservimento“ – also die Nutzungserklärung für das kleine Grundstück, zu schreiben.
Nach langem Hin und Her, bei dem ich nicht verstand, was er denn von mit verlangte, zeigte er mir das benötigte Stück Papier.
Es war groß – in DINA3 – mit einem Stammbaum einer Familie versehen. Wer wann wen geheiratet hat, wer von wem abstammt, Kinder usw. Es ging um eine Person, aber darauf waren ganz viele Namen – denn die Hauptperson war geschieden und wieder verheiratet worden.
Ich passte – so etwas in aller Ausfühlichkeit haben wir nicht in Deutschland. ich bot mein Familienbuch an, die Eheurkunde, Scheidungsurkunde, Geburtsurkunde – nix!
Es müsse außerdem jetzt, also nach dem Kauf des Grundstückes, ausgefertigt werden, denn sonst könne ich ja vielleicht meinen Familienstatus geändert haben und das stünde dann nicht drauf.
Sowas brauche man nicht zum Kaufen, aber zum Verkaufen oder bei Wertminderung – und „asservimento“ mindere ja den Wert des Grundstückes, da man nun nicht mehr drauf bauen darf.

Mein Einwand, dass man auf 4000m² noch nie bauen durfte und nicht bauen darf, einfach weil zu klein, galt nicht. So sei das Gesetz – er brauche den aktuellen (königlichen?) Stammbaum.
Wenn es das nicht gäbe in Deutschland, könne ich ja zu meiner ehemaligen Gemeinde fahren und mir etwas Ähnliches aktuell besorgen.
Das müsse dann ins Italienische übersetzt und in Deutschland von einem Notar beglaubigt werden.
Aber bitte schnell, sonst ist es nicht mehr zeitnah.

 

Ich fühlte mich dem Wahnsinn nahe.
 

10 cm Deckenhöhe.
Ein schon gekauftes Grundstück, was keiner braucht.
Die Comune, die auf Klärung drängt.
Die korpulente Dame in den Katakomben, die nur  darauf wartet, dass ich wieder einen „atto“ zur Protokollierung bringe.
Und eine Urkunde, die es nicht gibt.

 

In den nächsten Tagen verbrachte ich viel Zeit damit, nach Deutschland zu telefonieren.
Die Gemeinde meiner Geburt konnte mir nicht helfen. Die Gemeinde des letzten Wohnortes verstand überhaupt nicht was ich wollte. Das Standesamt war nicht zuständig. Das damals scheidende Gericht ebensowenig.
Ich überlegte, ob es schneller ginge, die Comune zu sprengen oder 10m³ Beton auf unsere frisch verlegten Terracottafliesen zu schütten. Aber wir näherten uns der großen Hitze – und in der Comune würde sich keiner befinden, nur zum Stempeln am Morgen und dann ab ans Meer, mit der Sprengung würde es nur historisches Mauerwerk treffen – und das konnte ja nichts dafür.
Und Beton würde keiner mehr ausgießen, denn je wärmer, desto mehr Firmen machten komplett für lange Wochen am Stück dicht.
Wir waren schon fast im Sommerschlaf – und genau darum hatten wir es mal wieder oder immer noch so eilig.

Der Chef meines Herzens, eigentlich Einheimischer, aber durch ein Leben in der gut organisierten Schweiz und dem hart – korrekten Deutschland, war auch kurz vorm Abdrehen.
Bisher hatte er noch die Ruhe weggehabt, im Gegensatz zu mir. Und erklärte bei jeder Gelegenheit, dass man es eben so nehmen müsse, keiner würde das System ändern, aber es werde sich alles lösen.
Die nicht existierende Urkunde aber brachte auch ihn aus der Fassung.
Da hatte er eine Idee..

Ein Notar vertritt das Gesetz. Sollte er.
Und wie immer gibt es Ausnahmen.
Mein besserer Hälft erinnerte sich an vergangene Zeiten, in denen er mit einem Notar zu tun hatte, den ein Verkäufer vorschlug.  Es fehlte damals an einigen notwendigen Papieren, damit er eine Wohnung kaufen konnte. Der Verkäufer war durch Faulheit oder Unpässlichkeit nicht in der Lage, den Papierkrieg zu bestreiten und ließ lieber den Verkauf scheitern, als seine Hand aus der Sonne zu legen. Geschichte wiederholt sich..
Also ging man zu einem Notar, der sich einen Feuchten um Papiere scherte und vollzog den Akt des Kaufens. Es ging damals gut, kann auch anders sein.

Zu diesem Notar gingen wir. Und es stellte sich heraus, dass ihm nach wie vor Papiere und Urkunden egal waren, er vollzog mit mir den Akt – also den „atto di asservimento“ – und erzählte nebenbei, dass auch die Comune selber einen da sitzen hat, der immer nur solche Sachen mache. Für viel weniger Gebühr.
Aha.
Sie würden einem das nur nicht sagen, weil eben da keiner Lust hätte zu arbeiten. Und dies sei wiederum gut für ihn.
Uns war es egal. Hauptsache, wir hatten diesen atto und mussten weder nach Deutschland, um einer nicht ausstellbaren Urkunde hinterherzurennen, noch hatten wir umsonst ein Grundstück erworben mit allen damit verbundenen Kosten.
Wir zahlten ordentlich Gebühren und konnten nach 2(!) Tagen den fertigen atto abholen.
Was Geld so alles bewirkt.

Nun mache ich es kurz, denn es sind Monate ins Land gegangen für die Prozedur bis an diesen Punkt.
Wir haben es irgendwie nochmal geschafft, der Katakombe zu entkommen, das Baubüro zufriedenzustellen und konnten die Situation lösen.
Dazu gehört noch eine andere Geschichte, aber das würde hier einfach zuviel werden.

Wenn ich heute NICHT über die Stufe ins Schlafzimmer gehe, weiß ich das zu würdigen.

Was haben wir daraus gelernt?
Man kann es so machen wie wir damals: Hektisch von einem zum anderen rennen, sich aufreiben, sich unbeliebt machen – oder zwischen dem einen und dem anderen Punkt der Prozedur sich was Feines kochen, den Strand genießen, im Garten buddeln – und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Wir haben durch unsere Hektik nichts beschleunigt. Es hat alles genauso lange gedauert, als wenn wir es angegangen wäre wie die Einheimischen: in aller Seelenruhe.
Wir hätten in den Katakomben keinen Drachen sitzen, sondern nur eine übergewichtige Omi, die nicht gemerkt hat, dass 2004 lange vorbei ist.
Wir hätten uns die recht hohe Maklerprovision gespart.
Und Nerven.

Heute haben wir uns angepasst und viel dazugelernt. Wir sind bekannt als pingelig – aber nicht unsympathisch, denn wir stressen die Mitdarsteller nicht mehr.
Wir kennen sämtliche Prozedere von dem Ansehen eines Stückchen Landes bis zum Moment, wo der neue Eigentümer von allen abgeküsst wird und strahlt. Im Hintergrund haben im günstigsten Falle gute Geister gewerkelt, damit er das alles nicht durchleben muss, was einem auf dem Wege dahin so unterkommt.

Und eines muss man noch erwähnen:  In Deutschland wäre das nicht so glimpflich abgegangen. Wer mehr baut an Volumen als er genehmigt bekommen hat, der kann nicht einfach noch einen Acker kaufen 20 km weit entfernt und den dazurechnen.

Es gibt hier eben wirklich für alles eine Lösung. Aber nie eine schnelle!