Wohnst Du schon oder putzt Du noch?

18.07.2012 15:51

Ich möchte betonen - das ist KEIN repräsentatives Beispiel für den Süden, aber ein Phänomen sieht man fast immer hier: Die gute Stube wird nicht genutzt!

Wir sind eingeladen - und in diesem Haushalt bin ich zum ersten Mal.
Man muss vorher wissen, dass die Gastgeberin Hausfrau und Mutter einer kleinen Tochter ist und nicht arbeitet. Aber sie läuft noch nachmittags im Schlafanzug herum, denn sie putz den ganzen Tag, wildentschlossen, jeglichen Spuren von Leben den Garaus zu machen. Sie putzt ein Bad wie in einem Schloss, wunderschön, kostbar, Whirlpool für mindestens 5 Personen etc.. Sie putzt einen Salon mit edlen Möbeln und weißem Fußboden. Sie putzt eine gemauerte Küche, traumhaft, mit Kamin und alles auf Maß angefertigt.
Doch diese 3 Räume werden NIE benutzt. Doch, wenn Besuch kommt, sitzt man im Salon mit Blick auf die offene Küche. Und Gäste dürfen auch das edle Bad benutzen.
Die Familie selbst lebt zufrieden in einer winzigen Kammer von ca. 8m², kocht dort auf einem Campinggaskocher mit 2 Flammen, heizt mit einem Elektrostrahler und nutzt ein winziges Duschbad.

Da die Familie und anscheinend auch andere Gäste dies als normal empfinden, führt man uns nach Ankunft erstmal herum und zeigt nicht ohne Stolz alle Räume - und auch die eigene Kammer. Als ich erkläre, dass wir vorhaben, in unserer Küche zu kochen und in unserem Wohnzimmer zu leben, wurde ich freundlich von der Hausdame angelächelt, sie zwinkerte mit einem Auge – und glaubte mir nicht. Als mein Guter dann erklärte, dass wir wirklich vorhaben, in diesen Räumen zu leben, glaubte man uns endlich, aber wir trafen auf völliges Unverständnis.
Das Wohnzimmer ist nur für Gäste und gekocht wird draußen, man kann ja einen Schuppen anbauen. Aber doch nicht in der Küche des Hauses, das gibt Gerüche und die Möbel werden fettig! Sofort ließ mein Guter die Erklärung folgen, dass unser Hausplan einen Anbau nicht hergebe und mehr Quadratmeter nicht genehmigt werden würden.
Ich ernte deswegen viel Mitgefühl bis Mitleid, denn das bedeutet ja, dass ich in Panik lebe, denn der Italiener besucht sich oft spontan. Also weiß ich ja nie, wann ich alles fertig geputzt haben muss.
Ich erklärte bei dieser Gelegenheit gleich, dass es bei mir nie so überaus sauber sein wird wie bei meinen Gastgebern. Und dass ich mich schon jetzt furchtbar dafür schäme, aber ich daran leider, leider nichts ändern kann.
Man klopfte mir auf die Schulter, zwei Frauen tätschelten mir die Backen: na, macht nix, wir wissen ja, dass du in den Zimmern leben musst, ist schon gut..das kann man ja garnicht schaffen..schon klar..
 

Ich habe Angst.
Ich werde die Klingel garnicht erst installieren, den schärferen der Hunde am Tor festbinden, ein Schild in Auftrag geben in Neongrün:   "Bin nicht zuhause!!"   - oder wieder zurückwandern nach Deutschland, wo ich in meiner Küche kochen konnte und sich Besuch nicht daran störte, dass es nachmittags auch schonmal nach dem Kuchen "roch", den ich gerade aus der Röhre gezogen hatte..

Oder auch nichts dergleichen - vielleicht finden es unsere zukünftigen Besucher ja ganz gemütlich, in bewohnte Räume zu kommen ;)
Ich habe ja bei diesen überaus freundlichen Menschen einen "Ausländerbonus" - wobei das ganz lieb gemeint ist, denn wir Deutschen werden sehr geachtet, zumindest hier im tiefen Süden.

Aber als erstes werde ich meinen besseren Hälft davon überzeugen, die Zisterne in eine kleine Außenküche zu verwandeln, wo ich einen Grillplatz habe und Sachen wie Fisch usw. zubereiten kann.
Es könnte ja sein, ich bekomme überraschend hohen Besuch!

;)