Der Pugliese - das sensible Wesen..

Wer von Euch auf einem kleinen Dorf aufgewachsen ist und da noch lebt, dem wird das Folgende vielleicht bekannt vorkommen.

Doch von vorn:

Wir haben ja ein tolles Grundstück, ich will nicht meckern. Nur allzuviel Erde ist nicht da, nur dort wo das Gemüsefeld ist, da ist der Boden erdig, sonst haben wir viel Felsgestein. Das ist prima für den Brunnen, denn darunter laufen die Wasseradern der unzähligen unterirdischen Quellen hier am Stiefelabsatz. Doch ab und zu brauchts eben Erde. Wir füllen damit gemauerte Beete, legen bewachsene Inseln an, buddeln Löcher für Bäume und befüllen diese usw..

Also haben wir vor Monaten schon 10 LKW-Ladungen rote Erde bestellt bei der Firma, welche uns auch die Wege aufgeschüttet hat und unsere Löcher für die biologische Klärgrube gemacht hat, da dort auch Felsgestein zertrümmert weren musste.

 

Die Erde kam - und war lehmig. Rot ja, auch sehr fruchtbar, aber nicht für alles zu gebrauchen.

Also haben wir sie dort verbraucht wo es nicht auf krümelige Erde ankommt und alles ist prima. Nur nun brauchten wir Erde, welche fett, rot und dennoch schön locker ist, um Kleinigkeiten zu befüllen, wo dann auch Delikates wachsen soll.

Die Firma bedauerte - sie haben momentan nur die eher lehmige Erde, aber wir sollten uns ruhig umhören, sie wären nicht böse, Freude wie immer.
Das fand ich schon putzig, ist doch selbstverständlich, dass wir uns anderweitig versorgen, wenn sie nicht liefern können. Aber danke für die Erlaubnis.

Nun, da gibts ja noch Alfonso. Alfonso ist um die 70, recht kauzig und fährt einen klapprigen LKW - sieht aus wie Marke Eigenbau, aber fährt und wie durch ein Wunder auch mit TÜV. Ja, TÜV gibts auch hier am gefühlten Ende der Welt.

Also ruft der Chef meines Herzens Alfonso an, der verspricht, gegen Mittag mit roter Erde anzurücken.
Es ist 8 Uhr in der Frühe.

Gegen 12 Uhr ist es heiß und wir warten..

Gegen 13 Uhr haben wir Hunger und essen und warten..

Gegen 14 Uhr wissen wir, dass Alfonso nun Mittagsschlaf machtund heute nicht mehr kommt, denn nachmittags wird im Sommer nicht gearbeitet.

Am nächsten Morgen um 8 Uhr rufen wir Alfonso an. Kein Problem, gegen 10 bin ich da! Habe die Erde schon geladen.

Wir müssten dringend weg, aber wir warten - voller Vorfreude, denn abends wollen wir gleich die neuen Beete befüllen und bepflanzen.

Der Morgen vergeht, gegen 12 Uhr sind wir nervös und fahren weg, um unsere dringende Besorgung zu erledigen. Wir rufen Alfonso an, aber sein Handy ist aus.

Am nächsten Morgen klingelt um 6 Uhr das Handy. Alfonso!! Ich bin auf dem Weg, wo nochmal genau soll ich hinkommen?
Wir erklären es, obwohl er uns am ersten Tag selber erklärt hat, dass er weiß wo wir bauen..da und da..die Mauer, die Kurve, das Tor - ja genau, da sind wir.

Es wird 8 Uhr und Alfonso ist nicht da, er hatte genau 2 Kilometer zu fahren.. Wir wundern uns immer mehr.

Gegen 11 Uhr rufen wir dann Alfonso an. Er meint, er stünde seit 7 Uhr vor unserem Tor und hätte im LKW ein Nickerchen gemacht. Ob wir nun endlich da wären und ihm aufmachen könnten?

Uns fällt alles aus dem Gesicht, wir gehen ans Tor - da steht keiner, da stand auch nie einer. Das hört man nämlich und die Hündin flippt aus, sobald sich da ein LKW nähert..ne, Alfono - vor wessen Tor stehst Du??

Wir rufen ihn an. Er ist sauer, dass das Tor immer noch zu ist, ihm wäre heiß im Auto.

Mein Chef erklärt ihm nun nochmals in Ruhe, dass er vor dem falschen Tor steht - hier wäre keiner.

Da ruft Alfonso so laut, dass ich daneben erschrecke: "Ach DU (!!!!!!!) bist das? Ich habe Dich verwechselt! Du bist der, der bisher von Firma X das Material bekommen hat! Na, ich weiß jetzt wohin ich fahren muss, ich bin gleich da!"

Seitdem haben wir von Alfonso nie wieder etwas gehört.

..

Vor einigen Tagen haben wir seinen Cousin getroffen und ihm die Geschichte erzählt. Der meinte - Klar, der sagt sich, die haben alles von X geholt und nun für einen LKW fragen sie mich, weil X zur Zeit nichts liefern kann, da hab ich aber auch meinen Stolz!

Wir erklären ihm, dass wir noch ca. 10 LKW-Ladungen brauchen, die hätten wir nun alle von seinem Cousin geholt, der hätte gut verdienen können. Außerdem hat er ja keine Bagger, Planierraupen und keine Abbruchhämmer etc., unsere groben Arbeiten hätte er nie erledigen können.

Der Cousin meint, er hört mal nach was da los war.

Gestern abend - der Cousin ruft an. Alfonso ist eingeschnappt. Keine Chance. Der Cousin entschuldigt sich wortreich, es ist ihm besonders peinlich für seinen Verwandten, da ich Deutsche bin und keinen falschen Eindruck bekommen soll, er würde mich zu einem Eis einladen...

Na, ist uns auch egal, denn heute morgen kam Firma X und hat die gewünschte Erde angeliefert, sie haben nun wieder welche und es geht weiter.

Wenn wir demnächst Alfonso über den Weg laufen im Ort, werde ich ihn ganz besonders freundlich grüßen und so tun als wäre nie was gewesen - denn das macht man hier so. Und dann wird er sich ärgern, denn wir brauchen wirklich noch mindestens 10 LKW und er wird von jedem einzelnen berichtet bekommen, die Dorfpost schläft nie - im Gegensatz zu Alfonso :D